Sonntag, 15. März 2015

Dein Reich komme

Moin zusammen,

Dein Reich komme. Damit haben wir Deutsche nicht unbedingt die besten Erfahrungen gemacht. Zumindest ist der Begriff 'Reich' seit dem letzten Jahrhundert mit Schmerzen, mit Leid und Trauer, besetzt.

Dein Reich komme. Das ist aber auch unser christlicher Gebetsruf. Jesus selbst hat ihn uns gelehrt. Warum? Die folgende Predigt gibt ein wenig Antwort darauf.

Fröhliche Grüße
Bernd





Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein Wort für unser Herz. Amen

Liebe Gemeinde,

heute die dritte Predigt zum Vater unser. Dein Reich komme.

Drei Worte nur. Aber drei Worte, die soviel an Inhalt haben. Soviel, das sogar mehr als eine Predigt nötig wäre, um alle Facetten dieser drei Worte erfassen und erläutern zu können.

Drei Worte nur. Aber drei Worte, die uns als Christen immer wieder vor neue Herausforderungen des Denkens, Handelns und Glaubens stellen.

Drei Worte nur. Aber mehr als drei Fragen, die sich stellen:
Warum nimmt Jesus überhaupt diese Bitte in sein Gebet?
Ist Gottes Reich nicht schon längst da?
Möchte ich das Gottes Reich kommt?
Bete ich von Herzen um Gottes Reich?
Was ist eigentlich Gottes Reich?
Und diese Liste kann von allen hier bestimmt noch um einige persönliche Fragen erweitert werden.

Aber auch wenn nicht alle Facetten bzw. Fragen geklärt werden können, zumindest drei, die mir aufgefallen sind, möchte ich mit euch teilen.

Gottes Reich ist da
Gottes Reich für alle
Gottes Reich braucht Kraft

Gottes Reich ist da

Schon im Alten Testament wird davon gesprochen. In Psalm 47 heißt es: „Denn der Herr, der Allerhöchste, ist heilig, ein großer König über die ganze Erde…Gott ist König über die Völker, Gott sitzt auf seinem heiligen Thron…er ist hoch erhaben.“
Und Jesus sagt uns in Mt. 5, 20 „Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
In der Offenbarung 21 schließlich wird gesagt, wie Gottes Reich aussieht: „und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“

Ich höre daraus, das Gottes Reich da ist.
Ich nehme auch wahr, dass das mit Gottes Reich gar nicht so einfach ist. Nicht jeder wird Gottes Reich erkennen oder erleben.
Ich freue mich, dass in Gottes Reich wohl die Sorgen und Nöte, die mich quälen, nicht mehr vorkommen werden.

Aber wo genau ist jetzt Gottes Reich? Schon hier auf der Erde, in unserem Alltag? Oder irgendwo jenseitig, weit weg, nach unserem Tod erfahrbar?
Warum wird nicht jeder Gottes Reich erkennen?

Wenn wir uns die Geschichte des Alten Testaments ansehen, dann erfahren wir, dass Gott von Anfang an sein Reich auf Erden errichtet hat. Das Reich hat er selbst gemacht. Himmel und Erde, Tag und Nacht, Land und Meer. Und auch alles was darauf lebt, Pflanzen, Tiere und Menschen. 1. Mose 31: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ Und es war so gut, dass es ein Paradies war für die Menschen. Vollkommen ohne Sünde, ohne Schuld konnten sie gemeinsam mit Gott leben. In vollen Zügen, ohne Mangel.
Gottes Reich ist da!

Aber so wie wir Menschen heute sind, so waren die Menschen zu Anbeginn der Zeit auch: Einfach glücklich Leben genießen können wir wohl nicht. Wir müssen alles in Frage stellen. So war es auch bei Adam und Eva. Vom Baum der Erkenntnis sollte kein Frucht gegessen werde. Und ob jetzt die Schlange listig war und Ärger verbreiten wollte, ob die Frau dem guten Aussehen der Frucht nicht widerstehen konnte oder ob der Mann einfach nur seinen Hunger stillen wollte – Fakt ist, das in genau dem Moment, wo in die Frucht gebissen wird, sich aus menschlicher Wahrnehmung das Reich Gottes ändert. Es ist nicht mehr Paradies. Da wo vorher offener Umgang miteinander war, versteckt sich jetzt Adam vor Gott und fürchtet sich. Es ist Alltag geworden. Mit allen Beschwerlichkeiten, allen Sorgen und Nöten. Mit Leid, Geschrei und Schmerz. Und vor allem in Trennung von Gott. Die Schuldfrage wird gestellt und weitergegeben. Von Adam zu Eva. Von Eva zur Schlange. Und Gott reagiert auf seine Weise; er wirft uns Mensch aus dem Paradies auf die Erde. Wir sind aus seinem Reich verbannt.

Und wie Verbannung aussehen kann erfahren dann im weiteren Verlauf des Alten Testaments die Israeliten ganz drastisch. Nach Ägypten müssen sie ziehen. Nicht freiwillig. Nein. Dramatisch ist das alles. Und auch wenn es aus heutiger Sicht damals eher gut ausgegangen ist mit der Rückkehr aus Ägypten, zurück ins Paradies haben sie nicht gefunden. Aber zumindest immer wieder Anteil am Reich Gottes haben sie gehabt. Gott selbst hat mehrfach einen Bund mit ihnen geschlossen, hat sie trotz goldenem Kalb und anderen Sünden nicht fallengelassen. Die Trennung von Gott, in christlichem Jargon Sünde genannt, haben wir Menschen aber nie ganz ablegen können. Selbst unsere Glaubensväter und Glaubensmütter, die wir so hoch achten sind nicht frei davon. Ob Jakob, David oder Rebecca. Sie lügen und betrügen, begehen Ehebruch. Frei von Sünde sind sie nicht. Aber trotzdem hält Gott an ihnen fest. Macht sie zu wichtigen Glaubenszeugen der Geschichte.

Und letztlich hat Gott dann seinen Sohn Jesus Christus geschickt. Eben weil wir Menschen in Trennung von ihm leben und nicht aus eigener Kraft diese Trennung überwinden können. Als Jesus in Galiläa erstmalig öffentlich auftritt, sagt er nach Markus 1, 15: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ Und in Lukas 17, 20ff fragen die Pharisäer Jesus nach dem Kommen des Reiches Gottes und er antwortet: „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“

„Dein Reich komme“ beten wir. Und dieses Gebet ist schon von Gott mit Jesus erhört, noch bevor wir es ausgesprochen haben.

Jesus Christus ist Gottes Antwort auf die Frage: Was ist Gottes Reich? Jesus Christus ist Gottes Antwort auf die Frage: Wann kommt Gottes Reich? Jesus Christus ist Gottes Antwort auf die Frage: Wer kommt in Gottes Reich?
Wie schreibt Walter Lüthi, der Schweizer Theologe: „Dein Reich komme, gehe nicht von uns weg, bleibe bei uns, und wenn du gegangen wärest, komme wieder, komm, dein Reich komme!“
Ein Satz, der all das zusammenfasst, was seit Schaffung der Welt uns Menschen bewegt. Und ein Satz, der in Jesus Christus zur Vollendung kommt. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6).

„Dein Reich komme“ zu beten, heißt anzuerkennen, das Gottes Reich da ist.

Gottes Reich für alle

Jetzt ist es klar. Wir wissen, das Gottes Reich da ist. Das es in Jesus Christus zum Ausdruck kommt. Und trotzdem hat Jesus selbst uns gelehrt ‚Dein Reich komme’ zu beten. Warum? Gibt es noch einen Haken?

Das ist ja die Krux daran. Zu wissen das Gottes Reich da ist, heißt ja noch lange nicht, dass Gottes Reich in meinem Leben angekommen ist.
Überhaupt: Gottes Reich. Was bedeutet mir das? Wie sieht das aus? Ist es das Paradies? Das Zusammenleben mit Gott? Ohne trennende Sünde?

Natürlich. Ich bin ja hier im Gottesdienst und da kann es doch keine andere Antwort geben.

Das stimmt. Aber innerlich sieht das doch oft anders aus, woll. Gottes Reich hat da doch so auszusehen, wie ich es mir vorstelle. Der böse Nachbar hat da keinen Platz. Und meine Lehrerin mit der ungerechten Benotung auch nicht. Und die Chefin erst, da will ich gar nicht von reden. Was will überhaupt der Besoffene vom Berliner Platz da, wie der torkelt und stinkt. Und dieser Politiker im Bundestag, der sich mehr um seine Diät, als um sein Volk kümmert. Ach ja, die Bänkerin nicht zu vergessen.
Habe ich alle Klischees bedient? Wenn nicht, fügt ruhig euer eigenes dazu.
Etwas übertrieben dargestellt. Ok - stimmt. Aber letztlich geht es doch darum: Stimmt Gottes Reich mit meinen Vorstellungen überein oder nicht. Mein Reich komme. So wäre das Gebet vermutlich oft ehrlicher. Aber dann wäre es eben nicht mehr das Gebet, das Jesus uns gelehrt hat. Und das ist auch gut so. Ginge es nach meinen Vorstellungen, dann wären vermutlich nur ein paar Hände voll Menschen in diesem Reich. Und darum geht es Gott auf keinen Fall. Ihm geht es um alle Menschen. Sein Reich ist für alle da. Und es wird auch nicht nach meinen Maßstäben gemessen, sondern nach Gottes Maßstäben. Auch das ist gut so. Ich merke doch selber sehr oft, wie ich an meinen eigenen Maßstäben scheitere. Wie kann ich sie dann auf andere anwenden?

„Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ heißt es in 1. Timotheus 2, 4. Oder in meinen Worten: Gott will alle für sein Reich begeistern.
Aber das heißt nicht, dass Gott mich Mensch dazu zwingt zu seinem Reich zu gehören. Ich habe die freie Entscheidung. Will ich mir helfen lassen? Will ich Jesus Christus als Herrn meines Lebens anerkennen? Will ich an Gott glauben?
Das sind die Kernfragen, um die es geht. Das ist die Herausforderung der Bitte um das Kommen des Reiches.
„Somit ist die Glaubensfrage die Entscheidungsfrage, vor die uns diese zweite Unservaterbitte stellt“ schreibt Lüthi.

„Dein Reich komme“ zu beten, heißt um den einen Glauben zu bitten. Für sich und für andere. Für alle Menschen.

Gottes Reich braucht Kraft

Um den Glauben bitten. Das hört sich so einfach an. Das umzusetzen, danach zu leben, das ist das Geheimnis, das ist die Herausforderung.
„Dein Reich komme“ ist dann ein Flehen. Herr, dein Reich komme! Damit ich mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen kann. Dein Reich komme doch endlich! Damit ich die Unebenheiten meines eigenen Lebens an dich abgeben und damit begradigen kann. Dein Reich komme! Damit diese Welt endlich ihren Frieden findet.

Ein langer Atem ist dazu nötig. Paulus kann davon ein Lied singen. Wie viele Missionsreisen hat er gemacht, wie oft ist er an seine Grenzen gestoßen. Er ist freundlich aufgenommen worden, wurde mit dem Tod bedroht, ins Gefängnis geworfen. Er hat Mitstreiter gefunden, sich von Freunden getrennt. Aber was er damit bewirkt hat, was er uns an Briefen hinterlassen hat, das schenkt uns heute doch oft die Kraft zum Durchhalten. Paulus Kraft ist oft am Ende gewesen. Aber seine Erkenntnis, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist wie er in 2. Korinther 12,9 schreibt bringt ihn dazu in Vers 10 zu sagen: „Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“

Ich stelle mir vor, dass Paulus an vielen Stellen seines Lebens nicht mehr weiterwusste. Das er nicht nur mit seiner Kraft, sondern auch mit seinen Worten am Ende war. Und da blieb ihm nicht mehr, aber auch nicht weniger, übrig als zu beten: Dein Reich komme.

„Dein Reich komme“ zu beten, heißt darum zu beten, dass jeder von uns die Kraft besitzt seinen Glauben öffentlich zu leben.

Ich möchte schließen mit, wie ich finde, ermutigenden Sätzen von Walter Lüthi:

„Wir müssen das Unservater wieder beten lernen, unsere Gebete müssen wieder gesunden am Unservater, am Reichsgebet.
Das heißt zusammengefasst und entfaltet: Dein Reich komme: Das Gebet komme, das Abendmahl, die Taufe, das Wort komme, damit der Glaube daraus komme.
Wenn das Reichsgebet wiederkommt und unsere Ich-Gebete vertreibt…wenn das Wort, das nicht unser ist, über uns und zu uns kommt, dann werden wir nicht nur staunen, sondern uns entsetzen. Das wird dann für die Beteiligten kein billiges, jedenfalls kein harmloses Dabeisein geben…Die Gemeinde wird wieder ein Salz der Erde werden und ein Licht der Welt…Wenn Gottes Wort kommt und es Gottes Wort ist, dann hört man es wieder im Gemeinderat, dann findet es wieder Beachtung im Bundeshaus oben, und die Männer der Wirtschaft und der Politik werden sich ihm entweder öffnen oder gegen es zum Kampf antreten.“

In diesem Sinne: Dein Reich komme!

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.