Sonntag, 20. Juli 2014

An-regen statt auf-regen




Traumwetter, endlich Sommer. Und dann wird uns der Sonntag morgen durch den Bibeltext in unserer Gemeinde madig gemacht: Bessert euch! werden wir aufgefordert. Frechheit sowas, oder? Lest selber.

Fröhliche Grüße
Bernd



Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein Wort für unser Herz. Amen

Liebe Gemeinde,

Jeremia zum dritten.
Nach ‚unmöglich’ und ‚verrückt’ jetzt ‚ganz ohne’. Genauer gesagt „Der Tempel ohne Gott“. Jeremia 7, 1-15. In der Gottesdienstbibel im Alten Testament auf Seite 725

Die Tempelrede
1 Dies ist das Wort, das vom HERRN geschah zu Jeremia:
2 Tritt ins Tor am Hause des HERRN und predige dort dies Wort und sprich: Höret des HERRN Wort, ihr alle von Juda, die ihr zu diesen Toren eingeht, den HERRN anzubeten!
3 So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Bessert euer Leben und euer Tun, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort.1
4 Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen: Hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel!
5 Sondern bessert euer Leben und euer Tun, dass ihr recht handelt einer gegen den andern
6 und keine Gewalt übt gegen Fremdlinge, Waisen und Witwen und nicht unschuldiges Blut vergießt an diesem Ort und nicht andern Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden,
7 so will ich immer und ewig bei euch wohnen an diesem Ort, in dem Lande, das ich euren Vätern gegeben habe.
8 Aber nun verlasst ihr euch auf Lügenworte, die zu nichts nütze sind.
9 Ihr seid Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige und opfert dem Baal und lauft fremden Göttern nach, die ihr nicht kennt.
10 Und dann kommt ihr und tretet vor mich in diesem Hause, das nach meinem Namen genannt ist, und sprecht: Wir sind geborgen, - und tut weiter solche Gräuel.
11 Haltet ihr denn dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Räuberhöhle? Siehe, ich sehe es wohl, spricht der HERR.
12 Geht hin an meine Stätte zu Silo, wo früher mein Name gewohnt hat, und schaut, was ich dort getan habe wegen der Bosheit meines Volks Israel.
13 Weil ihr denn lauter solche Dinge treibt, spricht der HERR, und weil ich immer wieder zu euch redete und ihr nicht hören wolltet und ich euch rief und ihr nicht antworten wolltet,
14 so will ich mit dem Hause, das nach meinem Namen genannt ist, auf das ihr euch verlasst, und mit der Stätte, die ich euch und euren Vätern gegeben habe, ebenso tun, wie ich mit Silo getan habe,
15 und will euch von meinem Angesicht verstoßen, wie ich verstoßen habe alle eure Brüder, das ganze Geschlecht Ephraim.

Tja. Das ist mal ein Text. Der liest ganz schön die Leviten. Also jetzt natürlich nicht uns, sondern den Juden damals. Die müssen ja was auf dem Kerbholz gehabt haben. Nicht umsonst hält Jeremia ihnen so ziemlich alle Verstöße gegen die 10 Gebote vor. Diebe, Mörder, Ehebrecher, Meineidige und Götzenverehrer sind sie. Und schämen sich noch nicht mal trotzdem in den Tempel zu gehen und Gott anzubeten. Dreister geht es ja wohl kaum. Aber Gott zeigt ihnen, wo es langgeht. Vernichten will er sie, vernichten, wie er schon Silo, den langjährigen Ort der Stiftshütte, vernichtet hat.

Eine wahre Zumutung also dieser Text. Da trifft die Predigtreihenüberschrift ja den Nagel auf den Kopf: Jeremias Zumutungen.
Eine Zumutung uns am heutigen Sonntag so einem Text auszusetzen. Da bin ich hier im Gottesdienst in dieser schönen Kirche, erhoffe mir einen erbaulichen Gottesdienst, um Kraft zu schöpfen für die kommende Woche und dann so was. Gut das nicht jemand wie Jeremia heute morgen am Eingang gestanden hat. Stell dir das mal vor. „Hört Gottes Wort“ „Bessert euer Leben“. Wir wollen hier doch einladende Gemeinde sein. Das wäre ja gar nicht damit in Einklang zu bringen. Eine Zumutung ist das.

Ihr merkt: aufregen über den Text heute ist ganz einfach. Aufregen ist überhaupt ganz einfach. Vor allem über die anderen. Die, von denen da im Text die Rede ist. Weil ich, ich bin ja wohl nicht gemeint. Mach ich ja nicht – stehlen, töten, ehebrechen, lügen und Gott verleugnen.

Aber könnte es sein, das der Jeremia vielleicht gar nicht auf-regen sondern an-regen möchte?
Anregen nachzudenken. Darüber, wie mein Lebensstil ist. Darüber, was für mich im Leben zählt.

Wie kommt Jeremia denn überhaupt dazu Kirchgängern (oder damals besser Tempelgängern) solche Worte an den Kopf zu werfen? Das geschieht doch nicht ohne Grund. Jeremia ist Prophet, ein von Gott bevollmächtigter Mensch, der den Menschen in seiner Umgebung Gottes Wort, Gottes Wahrnehmung, Gottes Willen sagen sollte. Nicht immer bequem, aber immer ehrlich. Denn so ist Gott. Nicht immer nur der liebende Vater im Himmel, sondern auch der tobende, rasende, zornige Gott, dem nicht passt, was wir Menschen so anstellen und das auch deutlich zum Ausdruck bringt. Die Israeliten können mehr als ein Lied davon singen.

Dabei könnte alles so einfach sein. Zehn Gebote hat Gott uns gegeben. Zehn mal richtet er uns aus, was wir nicht nötig haben im Umgang mit ihm, im Umgang mit unserem Mitmenschen, im Umgang mit uns selber. Was wir nicht nötig haben wohlgemerkt. Nicht, was wir gefälligst zu tun und zu lassen haben. Kein ‚Du darfst aber nicht’ sondern ein ‚Du hast es nicht nötig’.
Und auch durch Jeremia lässt er ausrichten, wie gottgefälliges Leben aussehen sollte: handelt recht einer gegen den andern, übt keine Gewalt gegen Fremdlinge, Waisen und Witwen und vergießt nicht unschuldiges Blut und lauft nicht andern Göttern nach zu eurem eigenen Schaden.

Wie sieht das denn bei mir aus? Halte ich mich daran?
Immer recht handeln gegen den anderen mag aus meiner Perspektive stimmen. Aber stimmt das aus der Sicht Gottes? Das was ich für recht halte ist vielleicht nicht immer das, was Gott für recht hält. Das ist ja auch das Schwierige daran. Zu beurteilen, danach zu handeln, was Gott für recht hält. Ich alleine mag das gar nicht beurteilen. Da ist es wichtig Menschen an meiner Seite zu wissen, die ebenfalls nach den Geboten Gottes leben möchten. Mit ihnen im Austausch darüber zu sein, was Gott möchte, wie das Auswirkungen in meinem Leben haben kann. Nicht umsonst, denke ich, richtet Jeremia seine Worte nicht an eine einzelne Person, sondern spricht alle Tempelgänger auf einmal an (euer Leben, euer Tun). Deshalb brauchen wir als Christen auch die Gemeinschaft und den damit verbundenen regelmäßigen Austausch. Deshalb wird uns solch ein Text auch an einem Sonntag zugemutet. Wo könnten wir ihn besser hören und darüber austauschen als an dem Ort, wo viele Christen zusammentreffen. An dem Ort, wo Gott ewig wohnen will, wenn wir nach seinem Willen ernsthaft fragen. Und dann ist es auch keine Zumutung mehr von Jeremia die Schwierigkeiten, die Gott mit unserer Art zu leben hat, offen anzusprechen. Dann ist es ein Mut machen, ein Anregen über den eigenen Lebensstil nachzudenken. Mit anderen Christen zusammen. Sich auseinandersetzen mit der Flüchtlingspolitik, mit dem Umgang mit Migranten, mit dem Sozialsystem unseres Staates. Und was das für Heckinghausen, aber auch für jedes Gemeindeglied heißt. Für dich und für mich.
Die Anfrage, ob ich nicht eher anderen Göttern wie Geld, Gold und einem sorgenfreien Leben hinterherlaufe, als Gottes guten Geboten, seinem Plan für mein Leben. Dieser Anfrage soll und muss ich mich stellen. Jeden Tag neu. Denn ich bin doch genau wie die Israeliten zur Zeit Jeremias: eingerichtet in meine Lebensumstände, eingerichtet auch in meinem Christsein. Es geht alles seinen Gang und ich merke gar nicht, wie ich mich vielleicht auf Abwege und Irrwege begebe. Da ist es wichtig immer wieder auf Weckrufe zu achten. Weckrufe, die aus biblischen Texten, aus den Erfahrungen meiner Glaubensgeschwister an mich herangetragen werden. Ich darf sie nur nicht zur Seite schieben, überhören. Ich muss mich darauf einlassen und gewillt sein, offen und ehrlich damit umzugehen. Dann, so denke ich, erlebe ich Gottes Wirken in meinem Leben.

Sonntags in den Gottesdienst, vielleicht noch ein Gemeinde- oder Hauskreis in der Woche sollte für Gott doch ausreichend sein. Das haben sich die Israeliten damals wohl auch gedacht; und haben nicht damit gerechnet, das Jeremia dem Wirken Gottes eine andere Sprache gibt. Eine schmerzende, anklagende, Sprache eben. Gott ist nämlich nicht nur der barmherzige und gnädige Gott, den wir uns doch so sehnlich wünschen. Er ist ein Gott, der auch zornig, sogar strafend sein kann.
Das wird vielleicht gerne übersehen. Es ist ja auch einfacher an einen ‚guten’ Gott zu glauben und im eigenen Leben unterzubringen. Es ist einfacher damit zu leben, das Jesus für unsere Sünden gestorben ist.
Zu erkennen und anzunehmen, dass ich trotzdem weiterhin Sünder in den Augen Gottes bin; dass ich also an manchen Stellen ein Leben führe, das mich von Gott trennt; darauf macht mich Jeremia sehr deutlich aufmerksam. Wenn ich als Vater meinen Kindern in der Erziehung Grenzen aufgezeigt habe, kam das bei den Dreien auch nicht immer, eigentlich sogar sehr selten, in dem Moment gut an. Das hat ihnen nicht gepasst und dagegen haben sie sich aufgelehnt. Oder es klaglos hingenommen nach dem Motto: je ruhiger ich mich verhalte desto schneller ist der Streß vorbei. Und ich ertappe mich, dass ich mich ähnlich verhalte, wenn ich Gottes Anfragen an mein Leben höre. Als Schöpfer hat er alles Recht mir den Spiegel vorzuhalten (mehr als ich als Vater meinen Kindern gegenüber habe), mich aufmerksam zu machen auf die Hindernisse in meinem Leben. Das ist für mich schmerzhaft, wirkt auf mich manchmal auch ungerecht im Blick auf das Leben anderer. Aber es tut auch gut, das hören zu dürfen. Eben weil ich auch die Erfahrung gemacht habe, das Gott ein gerechter Gott ist, der mir als liebender Vater begegnet und der möchte, das mir alle Dinge zum Besten dienen.
Wäre es wirklich toll, nur einen bequemen Gott zu haben, der wie ein Kuschelkissen herausgeholt werden kann, wenn es mir mal nicht so gut geht? Ist es nicht viel besser einen Gott zu haben, der auch einmal unangenehme Dinge anspricht und alles dafür tut, damit ich ein erfülltes Leben führen kann?
Was wäre das für ein Tempel, eine Kirche ohne Gott? Eine nutzlose Hülle, nur damit ich mich wohlfühlen kann in meinem Leben. Damit ich wohlig eingerichtet bin.
Das aber ist und kann nicht Ziel meines Lebens sein. Ich bin mir klar darüber, dass Gott, der mich geschaffen hat, ein anderes Ziel für mein Leben vorgesehen hat. Das Ziel ewigen Lebens mit ihm. Immer und ewig will er bei mir wohnen. So hat er es versprochen. Schon damals durch Jeremia. Und erst recht durch Jesus Christus, seinen Sohn, unseren Herrn.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.

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